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Pädagogikmethode »aktives Lernen«Wie (fast) jeder zum Genie werden kann Der amerikanische Physiknobelpreisträger Carl Wieman feiert große Erfolge mit einer Ausbildungsmethode, die auf »aktives Lernen« setzt. Wie funktioniert's? Von Hilmar Schmundt 09.02.2018 Lernrevolutionär Wieman: "Die Vorlesung ist eine Tradition aus dem Mittelalter - damals galten auch Zaubersprüche als Allheilmittel" Foto: Winni Wintermeyer / DER SPIEGEL Dieser Artikel stammt aus der Reihe SPIEGEL+ Bestseller. Er gehört zu den meistgelesenen Texten 2018. Ein sonniger Dienstagmorgen auf dem weitläufigen Campus der kalifornischen Stanford University bei San Francisco. Entspanntes Büffeln unter Palmen. Nur in einem Seminarraum im Untergeschoss geht es hoch her: Zwölf Studenten palavern in kleinen Grüppchen, streiten und lachen miteinander. Willkommen im Seminar des Physiknobelpreisträgers Carl Wieman! Mit einer ungewöhnlichen Methode bringt er heute zwölf Studenten aus Fachbereichen wie Geologie, Mathe und Medizin bei, wie sie Studenten später besser unterrichten können. »Viele glauben, sie seien für Naturwissenschaften einfach nicht begabt«, sagt Wieman, ein zupackender Lehrmeister mit Wanderstiefeln, kurzärmligem Hemd und einer Uralt-Quarzuhr am Handgelenk: »Doch das ist Quatsch. Mit dem richtigen Unterricht kann jeder in jedem Fach riesige Fortschritte machen.« Niemand werde als Genie geboren, ist Wieman überzeugt – nicht einmal ein Wolfgang Amadeus Mozart. Genial sei vor allem sein Vater Leopold gewesen, ein mittelmäßiger Geiger, aber ausgebuffter Musikpädagoge, der eines der ersten Bücher zur Musikerziehung für die Violine schrieb. Er ließ Wolferl schon komponieren, als dieser ein kleiner Junge war – und schaute ihm permanent über die Schulter, um jeden kleinsten Fehler zu verbessern. Voilà. »Aktives Lernen« heißt diese Methode heute: Studenten machen lassen, korrigieren, weitermachen lassen, wieder korrigieren, eine Art Autodidaktentum, aber unter Anleitung eines Mentors – quasi nach dem Vorbild von Papa Mozart. In der Tat zeigen aktuelle Studien, dass (fast) jeder (fast) alles lernen kann. So besagte eine Lehrmeinung früher, dass das absolute Gehör eine angeborene Sonderbegabung sei. Nur einer von 1000 Menschen verfügt über die Fähigkeit, die Höhe eines gehörten Tons exakt zu bestimmen. Doch im Jahr 2014 zeigte eine japanische Wissenschaftlerin mit einem Experiment, dass auch alle anderen das absolute Gehör erlernen können. Sie rekrutierte 24 normale Kinder, zwischen zwei und sechs Jahren alt. Dann trainierten Musiklehrer mit ihnen, Tonhöhen zu erkennen, pro Tag ein paar Minuten. Manche Kinder brauchten nur wenige Monate, andere über ein Jahr. Am Ende aber hatten alle, die das Programm durchzogen, das Absolute Gehör. Derlei faszinierende Geschichten gibt es inzwischen zuhauf. Der Entwicklungspsychologe Anders Ericsson von der Florida State University sorgte beispielsweise für Aufsehen, als er ebenfalls mit einem Experiment den Kult um angeblich begnadete Gedächtniskünstler entzauberte. Die meisten Menschen können sich in ihrem Kurzzeitgedächtnis nur rund sieben beliebige Zahlen merken, die ihnen vorgelesen wurden. Ericsson dagegen brachte einem Studenten durch intensives Training bei, sich bis zu 82 beliebige Zahlen zu merken. Wichtig bei der Methode des aktiven Lernens ist der richtige Umgang mit Fehlern oder falschen Vorstellungen. »Viele Menschen glauben, dass Sommer und Winter dadurch entstehen, dass die Erde mal näher an der Sonne ist und mal weiter weg«, berichtet ein Geologiestudent beim heutigen Seminar. Wieman ist begeistert, er liebt solche Irrtümer. Er ist überzeugt, dass Fehler wertvoll sind – je abwegiger, desto besser. Denn er sieht Fehler nicht als Niederlage, sondern als Chance, daran zu wachsen. Bei ihm im Seminar muss jeder Student ständig für sich allein neue Aufgaben bearbeiten. Die Lösungen werden dann gemeinsam im Kreis mit allen anderen Studenten diskutiert – angeleitet von Wieman, der als oberster Fehlersucher und Korrektor fungiert. Selbst Unsinn feiert er noch als Erfolg. Bei ihm wird der Fehlerteufel zum Fehlerengel. Den größten Fehler hat er indes in den Köpfen der Professoren ausgemacht – weil sie an einer so rückständigen Lehrmethode wie der Vorlesung festhalten. Er verweist auf eine aktuelle Vergleichsstudie unter Leitung des amerikanischen Bildungsforschers Scott Freeman. Demnach schneiden durchschnittliche Studenten, die bislang einer Vorlesung gelauscht haben, durch aktives Lernen besser ab als 68 Prozent ihrer Kommilitonen. Außerdem sinkt die Durchfallquote um rund ein Drittel (siehe Grafik). »Handelte es sich um eine medizinische Studie, müsste man traditionelle Vorlesungen sofort abbrechen, weil es nicht zu verantworten wäre, Patienten einer solch untauglichen Therapie auszusetzen«, schimpft Wieman. »Die Vorlesung ist eine jahrhundertealte Tradition aus dem Mittelalter – aber damals galten teils auch Aderlass und Zaubersprüche als Allheilmittel. Beides hat sich als weitgehend unwirksam erwiesen.« Bild vergrößernDass der berühmte Physiker so viel vom aktiv angeleiteten Lernen hält, kommt nicht von ungefähr. Schon als Kind war er ein eigenwilliger Selbermacher – notgedrungen. Wieman wuchs in den Wäldern Oregons auf. Sein Vater arbeitete in einem Sägewerk, einen Fernseher gab es nicht im Haus, so verschlang Carl stapelweise Bücher aus der Leihbibliothek. Mit einem Bruder tüftelte er an komplizierten Spielzeugen. Als er in die 8. Klasse kam, zog die Familie um, er freundete sich mit dem Sohn eines Mathematikprofessors an, der mit den Kindern nachmittags auf spielerische Weise Geometrieprobleme löste. Außerdem lernte Carl Wieman Schach und wurde durch fortwährendes Üben so gut darin, dass er bald auf Turnieren antrat. »Aber im reifen Alter von 16 Jahren gab ich diese Karriere auf«, sagt er. Schließlich schrieb er sich als Physikstudent am MIT bei Boston ein, doch seine wahre Leidenschaft blieben damals Tennis und Squash: »Ich habe gegen ein paar der besten Spieler des Landes verloren, sogar gegen einen späteren US-Meister.« Die Vorlesungen in Optik oder Atomphysik dagegen schwänzte er oft. Lieber bildete er sich im Labor fort, durch Ausprobieren und Scheitern und Weitermachen. Mit dieser zupackenden Lerntechnik schaffte er es bis in den Olymp seines Fachs. Im Jahr 1995 gelang es ihm mit seinem Team, eine 70 Jahre alte Vorhersage von Albert Einstein zu bestätigen: dass stark heruntergekühlte Materie eines bestimmten Typs in einen neuartigen Aggregatzustand übergeht, weder flüssig noch fest oder gasförmig – das legendäre Bose-Einstein-Kondensat. Doch Wieman blieb hungrig und neugierig. Nach der Nobelpreisehrung stellte er seine Physikkarriere zurück und widmete sich fortan seinem Lebensthema: Lernen lernen. Mit seinem Nobelpreisgeld startete er eine Bildungsinitiative, baute die Curricula von 235 universitären Kursen um und ließ die Lernerfolge von unabhängigen Bildungsforschern testen. Nebenher überprüfte er etliche weitere reformpädagogische Ideen, die als Erfolg versprechend galten: charismatische Professoren? Kommen bei Studenten gut an, sorgen für Unterhaltung – bringen aber wenig Lernerfolg. Kleinstgruppen? Kein messbarer Vorteil. Unterricht mit Smartboards und Handys? Digitalschnickschnack lenke eher ab, hat er herausgefunden: »Auch das Mitschreiben per Hand stört beim aktiven Mitdenken, das Mitschreiben am Notebook aber ist noch störender.« Gut dagegen schneiden spielerische Techniken ab, etwa interaktive Abstimmungen (»Clicker« genannt), bei denen die Studenten einfache Ja-Nein-Fragen beantworten müssen, wie man es von Quizshows kennt. Die häufige Rückmeldung von Studenten erlaubt den Lehrenden, den Lernfortschritt besser einzuschätzen. Am besten aber, so zeigte sich, sind die Ergebnisse beim aktiven Lernen. Die von Wieman propagierte Methode hat inzwischen auch deutsche Universitäten erreicht. »Aber Deutschland ist in Bildungsfragen eher konservativ«, klagt die Physikerin Cynthia Heiner, die unter Wieman gearbeitet hat und heute an der FU Berlin lehrt. »Hierzulande gelten Fehler eher als Tabu und Makel, nicht als Anreiz zum Bessermachen.« »Doch in den letzten Jahren hat sich viel getan an deutschen Unis, vor allem an Fachhochschulen«, sagt Peter Riegler, Dozent an der Ostfalia-Hochschule in Wolfenbüttel, wegen seiner Lehrkünste zum Professor des Jahres 2011 gekürt. »Grob geschätzt wird das aktive Lernen hierzulande wohl bereits in einem von hundert Seminaren eingesetzt.« Und was war der größte Fehler, dem Wieman selbst aufgesessen ist? Sein Glaube an die Vernunft, antwortet er: »Ich dachte, dass eindeutige Forschungsergebnisse die meisten meiner Kollegen überzeugen werden.« Doch das war nicht der Fall. Zu seiner Überraschung kam der größte Widerstand ausgerechnet von den Meistern der Zahlen: Mathematiker waren oft am zögerlichsten, auf Vorlesungen zu verzichten. Diskutieren Sie mitFeedback

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